Mitschnitt des ersten Gesprächs der Gesprächsreihe zu muslimisch-jüdischen Beziehungen | 15. November 2022 | Jüdisches Museum Hohenems
Den Auftakt der Gesprächsreihe widmeten wir einem Nachdenken über muslimische Perspektiven auf den muslimisch-jüdischen Dialog und daraus resultierende Kooperationsmöglichkeiten. In weiterer Folge wollen wir unterschiedliche Perspektiven beleuchten und muslimische, jüdische und anders verortete Akteur*innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zu Wort kommen lassen.
Als ehrenamtlicher Imam und Islamischer Religionspädagoge engagiert sich Ramazan Demir seit vielen Jahren im muslimisch-jüdischen Gespräch. Mit einem Kurzvortrag wird er uns seinen Zugang erläutern und mit Beispielen aus der Praxis veranschaulichen. Hannan Salamat ist Kultur- und Religionswissenschaftlerin und wird den Vortrag um ihre Perspektive ergänzen und Fragen für die Diskussion mit dem Publikum aufwerfen.
Islamische Theologie und Praxis bieten eigenständige Ansatzpunkte für eine friedliche und von gegenseitiger Wertschätzung geprägte Koexistenz. Wie lassen sich diese Erfahrungen in die heutige Realität einer Einwanderungsgesellschaft übertragen, in der beide, Juden und Muslime, Minderheiten sind? Wir fragen aber auch nach möglichen Hindernissen und Herausforderungen, welche mitunter eine Annäherung und Kooperation erschweren.Oft werden solche Herausforderungen politisch aus der Mehrheitsgesellschaft befeuert. In jüngster Zeit werden die Beziehungen zwischen Judentum und Islam meist aus einer integrations- und sicherheitspolitischen Perspektive heraus verhandelt. Im Zentrum stehen dann paternalistische und zuweilen auch rassistisch motivierte Fragestellungen: Was müssen „die Muslime“ noch über „unser“ Verhältnis zum Judentum, über Erinnerungskultur, über Antisemitismus lernen, um sich „bei uns“ integrieren zu können? Welche „Gefahren“ gehen vom Islam für die hier lebenden Jüdinnen und Juden aus? Für die christlich geprägte Mehrheitsgesellschaft lässt sich im Zuge einer solcherart geführten Debatte die eigene, hochgradig ambivalente Beziehung zum Judentum abwickeln und zur vermeintlichen Erfolgsgeschichte eines „christlich-jüdischen Abendlandes“ umdeuten.
Mit dem ersten Gespräch in unserer Reihe möchten wir diesen ausgetretenen integrationspolitischen Diskurs verlassen und die Möglichkeiten einer neuen jüdisch-muslimischen Gesprächskultur in gegenseitiger Solidarität und Kooperation ausloten.
Hannan Salamat ist Fachleiterin am Zürcher Institut für interreligiösen Dialog und Projektleiterin von not_your_bubble. Als Fachleitung organisiert sie Events und Workshops in den Bereichen plurale Demokratie, Antirassismus, Postkolonialismus, Islam und Feminismus und berät in Zürich städtische Institutionen in diesen Feldern. Salamat ist Mitgründerin und Kuratorin des Münchner Kunstfestivals ausARTen – Perspektivwechsel durch Kunst und Mitglied des CPPD – The Coalition of Pluralistic Public Discourse Netzwerks. Hannan Salamat ist Ideengeberin und Initiatorin des Transalpinen Festivals und leitende Kuratorin der Veranstaltungen in Zürich.
Ramazan Demir ist in Ludwigshafen am Rhein geboren und studierte Islamische Religionspädagogik an der Universität Wien. Er war jahrelang sowohl als Imam und Seelsorger in den österreichischen Gefängnissen, als auch als Religionslehrer an Wiener Schulen, tätig. Er ist Dozent an der KPH Wien/Krems und Fortbildungsleiter am Institut Islamische Religion. Er hat gemeinsam mit Rabbiner Schlomo Hofmeister das Buch „Reise nach Jerusalem“ herausgegeben und setzt sich seit Jahren für den Interreligiösen Dialog in Österreich ein.
Arnon Hampe ist Politikwissenschaftler und leitet das Projekt #OhneAngstVerschiedenSein am Jüdischen Museum Hohenems. Zuvor hat er in Berlin für verschiedene Institutionen im Bereich antisemitismus- und rassismuskritische Bildung, Holocaust Education und Vermittlung jüdischer Geschichte und Gegenwart gearbeitet. Seit Anfang 2022 lebt und arbeitet er in Hohenems.